Damals im letzten Jahrtausend, als die
Welt noch nicht so alt war wie heute, war alles, was wir heute
kennen, ein Märchen von übermorgen. Es war schwarzweiß und wir
nannten es Raumpatrouille Orion. Dies ist kein Märchen von
vorgestern!
Warum im deutschsprachigen Fernsehen
alle Abendsendungen nicht um 20 Uhr beginnen, wie es in vielen
anderen Sprachkulturen der Fall ist, sondern um 20 Uhr 15, hat mit
Weihnachten zu tun. Genau gesagt mit dem ersten und zweiten
Weihnachtsfeiertag 1952.
Weihnachten 1952 war eines der
arbeitnehmerfreundlichsten Weihnachten. Heiligabend war ein Mittwoch.
Das bedeutete für viele Menschen, dass sie viereinhalb Tage
Kurzurlaub hatten. (Friseure sogar fünfeinhalb, da Montags nicht
gearbeitet wurde.)
Am 25. Dezember konnte alle, die sich
einen Fernseher als familiäres Weihnachtsgeschenk gekauft hatten,
miterlieben, wie die Arbeitsgemeinschaft der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik
Deutschland (ARD) offiziell auf Sendung ging.
Zunächst wurde den Tag über erstmal
das sogenannte Testbild ausgestrahlt.
Das Testbild war ein Standbild, mit
dessen Hilfe man die Bildschärfe seines Fernsehers optimieren
konnte. Männer knieten also vor der sogenannten Mattscheibe,
um das Bild scharf zu
stellen, während Frauen im Hintergrund nervige Kommentare abgaben,
die niemandem nutzten.
Ein paar Jahre
später wurde die Fernbedienung erfunden, damit man auf der Couch
sitzen und nervige Kommentare über den Blödsinn, der im Fernsehen
lief abgeben konnte.
Allerdings war die
Fernbedienung per Kabel (meist weiß, aber dennoch fast unsichtbar)
mit dem Fernseher verbunden, was zu vielen Stolperern und Stürzen
führte.
Am 26.
Dezember 1952 erfolgte die Erstausstrahlung der Tagesschau.
Damals wie heute dauerte sie 15 Minuten und brachte die angeblich
wichtigsten Tagesereignisse dem Fernsehpublikum nahe.
Nach
der Tagesschau begann
das Abendprogramm. So
hieß es allerdings erst, nachdem vor der Tagesschau
nicht nur das Testbild lief.
Das
Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF),
das offiziell am 1. April 1963 auf Sendung ging, war nicht als
Aprilscherz gedacht. Es dauerte allerdings noch einige Jahre, bis es
flächendeckend empfangbar war. Ich weiß noch, wie traurig ich
sonntags als Kind oft war, wenn ich bei meinen Großeltern auf dem
Land Urlaub machte, weil das ZDF nur als Schneesturm empfangbar war,
weil zwischen dem Sendemast und dem Fernseher meiner Großeltern so
ein blödes Ding namens Berg stand. (Warum das Signal der ARD über
den Berg kam, das vom ZDF aber nicht, ist mir bis heute ein Rätsel.
Es hatte – wenn ich mich recht entsinne – irgendwas mit
Sendemast-Streitigkeien zwischen ARD und ZDF zu tun.)
Das
ZDF und auch das Privatfernsehen,
das 1984 startete, haben immer wieder versucht, das Abendfernsehen um
20 Uhr starten zu lassen, aber die meisten Deutschen haben um 20 Uhr
immer die Tagesschau
eingeschaltet und sich anschließend beschwert, dass sie 15 Minuten
ihrer Lieblingssendung verpassen mussten. (Sofern die nicht in der
ARD lief!)
Man
muss dazu eines klar und deutlich sagen: Sowas wie streaming
oder video on demand
gab es im letzten Jahrtausend noch nicht. Ab den 1980ern konnte man
sich eventuell einen VHS-Rekorder leisten.
Zuvor
saß ich mit dem Mikrofon meines Kassettenrekorders zirka 50
Zentimeter vor dem Lautsprecher unseres Fernseher, um meine
Lieblingssendungen zumindest akkustisch aufzunehmen. (Das Bild
speicherte ich derweil in meinem Kopf ab.) Jedes Familienmitglied,
das auch nur wagte, sich während der Aufnnahmezeit zu räuspern oder
gar ein Wort zu flüstern, wurde von mir mit einem vernichtenden
Blick bestraft.
Da
meine Lieblingssendungen fast alle im ZDF liefen, hatte ich nur ein
unüberwindliches Problem: War die Sendung nicht spätesten um 19 Uhr
59, verpasste ich den Schluss, egal was in der Welt sonst noch so
geschah, wurde um Punkt 20 Uhr die Tagesschau
der ARD eingeschaltet.
Da
konnte man machen, was man wollte: Zwischen 20 Uhr 00 und 20 Uhr 15
guckte Deutschland die Tagesschau!
Ich habe es nie ausprobiert, aber ich vermute, selbst Polizei,
Feuerwehr und Krankenwagen konnte man in diesen 15 Minuten nicht
kontaktieren. Außerdem vermute ich stark, dass die Todesrate in
dieser kritischen Zeit fast auf Null sank. Wer stirbt schon gerne,
bevor er weiß, wie das Wetter morgen wird.
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